MANIFEST ZUR

NEGATION DER HARMONIE

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Nein, Künstler sollen nicht bessern und bekehren. Sie sind viel zu gering. Nur bezeugen müssen sie. OTTO DIX (1958)
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ADRESSE Andreas Zimmermann Peitzer Straße 1 15232 Frankfurt (Oder) Brandenburg GERMANY
KONTAKT Mail: mac-leonardo@t-online.de Tel: +49 (0)335 5 00 44 87
2006 bis 2010 2006 bis 2010 2006 bis 2010 Arbeiten bis 2005 Arbeiten bis 2005 Arbeiten bis 2005
Vorbemerkung Die Moderne in der Malerei begann mit dem Ende der Malerei. Ein geflügel- tes Wort und anerkannte Wahrheit. Fotografie und Film, also Formen techni- scher Reproduktion, entzogen dem Malenden zum Anfang des 20. Jahrhun- derts den Hauptbestandteil seiner Professur. Bis dahin war klar, dass das, was ein Bild ausmacht, die weitgehende Interpretation einer Vorlage sein durfte. In dem Umfang, wie die fotografische Wiedergabemöglichkeit sich vervoll-
kommnete, verschwand die Notwendigkeit mit der Malerei Abbilder des Sicht- baren zu schaffen. Die Implosion des Gemäldes Anfang der 20er Jahre zur monochromen Fläche bereitete dann endgültig die Grundlage für den Neuan- fang. Es entwickelte sich eine permanente Suche nach dem Was und dem Wie. Die Ergebnisse schwanken zwischen Abstraktion und Gegen-ständlich- keit, zwischen Semantik und der Verweigerung jedweder Bedeutung.
Der Hintergrund Autonomie und völlige Unabhängigkeit sind utopische Vorstellungen jenseits der erlebbaren Realität. Gleiches gilt für die Harmonie. Partiell gibt es Harmo- nien millionenfach. Doch selten bleiben diese Zustände über einen längeren Zeitraum bestehen. Jede einzelne Harmonie wird beim Aufeinandertref-fen mit anderen Harmonien zur Auseinandersetzung gezwungen. Es entwickeln sich Konflikte, die im permanenten Widerstreit der Werte, Weltanschauun- gen, Religionen und Kulturen ihren Ausdruck finden. Ein eindeutiges „JA” be- deutet immer auch ein „NEIN” gegenüber der möglichen Alternative. Akzep- tiert man, dass Gegensätze und Brüche gegenüber Harmonie und Geschlos- senheit ein strukturelles Übergewicht besitzen, wird der molekulare Kern erfasst, der für die zukünftige Entwicklung von substanziellem Interesse ist. Sichtbar werden diese komplexen, widerspruchsvollen Zusammenhänge aber erst, wenn es gelingt, sie auch darzustellen. Das bedeutet zunächst, die bis- herigen Wertmaßstäbe auf den Prüfstand zu stellen oder zumindest neu zu hinterfragen. Einzig der Sinngehalt einer dargestellten Thematik kann zum Maßstab der Betrachtung herhalten, nicht etwa die mögliche Geschlossen-
heit der Darstellung und die künstlerisch-handwerkliche Vollkommenheit. Das kann zum völligen Bruch mit bisherigen Wahrheiten führen, wenn er dem einzelnen Werk seine Bedeutung gibt (muss aber nicht). Die Konsequenz hieraus ist, dass jedwede Form und Kombination von In- halten, Handschriften oder Ausdrucksmitteln möglich, ja in gewisser Weise notwendig ist. Im Irrsinn versteckt sich das Genie und am Ende der Erkennt- nis lauert ein Schwarzes Loch. Strukturen begleiten sich und bedingen ein- ander in der Art, wie die Beachtung der Gesetze der Statik einem Gebäude seine Form erhält oder die Gravitation die Planeten auf Umlaufbahnen um die Sonne zwingt. Abstraktion und Realität, Harmonie und Widersprüchlichkeit sind nur dann in ihrer Bedeutung wahrnehmbar, wenn sie sich an ihren Gegensätzen reiben können. Alles bleibt in ständiger Bewegung. Nichts ist endgültig. Was kommt, ist da und wird wieder vergehen. Das, was uns umgibt, ist unendlich variabel und bleibt niemals singulär. Gelingt es, dies sichtbar werden zu lassen, dann kann Komplexismus daraus entstehen.
Das Modell Der Gedanke des Komplexismus in der Kunst ist nicht neu. In der Musik gibt es Komplexismus seit rund 20 Jahren. Ulrich R. Haltern (Humboldt-Universi- tät) schreibt dazu in seinem Aufsatz „Polyphonie und Komplexismus, gesell- schaftliche Differenzierung und Rechtsprechungsminimalismus” (Musik (und Recht) heute, HFR 1999, Beitrag 9, Seite 8) zur Definition: „Komplexismus kann als direkte (und potenzierte) Umsetzung polyphonen Denkens angesehen werden, ja als „Polyphonie von Polyphonien” (Boulez). Mahnkopf - selbst Kom- ponist und sich dem Komplexismus zurechnend - nimmt eine Definition von Polyphonie als Ausgangspunkt, nach der diese „Dissoziation der musikali- schen Diskursivität” ist. Von der Polyphonie (als Dissoziation der musika- lischen Linien) ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zur Polymorphie (als Dissoziation der Gestalten, etwa der Gesten, Motive und Themen) und schließlich zur Polyprozessualität (als Dissoziation der die polymorphen Linien verzeitlichenden Prozesse). Doch nicht genug der Polyismen: Hinzu kommen neben diesen „traditionellen” Dissoziationsmodi noch Polyvektorialität (eine Vorbereitung von Kompositionsmaterial nach unterschiedlichen Techniken), Polykonzeptualität (Dissoziation des das individuelle Werk konstituierenden Konzepts) und schließlich Polywerk (als Dissoziation des in sich geschlossenen und integralen Werks - man kennt dies bereits aus dem 14. und 15. Streich- quartett Milhauds, die sowohl einzeln als simultan, nämlich als Oktett, auf- führbar sind). Komplexismus verbindet sich insbesondere mit dem Namen Brian Ferneyhough, daneben etwa mit seinen Schülern Klaus K. Hübler und Frank Cox. Am auffallendsten am Komplexismus dürfte die äußerst kompli- zierte Notation sein, die an den Interpreten die allergrößten Schwierigkeiten stellt. Die einzelnen Spielvorgänge selbst sind polyphonisiert. Für ein Instru- ment - etwa die Flöte, also ein Instrument, das nur einen Ton gleichzeitig spie- len kann - existieren gleich eine ganze Reihe von Notensystemen. Das Noten- bild bedarf für die diversen parame trischen Ebenen der Spielmotorik mehre-
rer Systeme, weil die auseinandergenommenen Spielaktionen bezeichnet werden müssen: Etwa Vibratostärke, Atem- oder Klappergeräusche, Finger- perkussion auf dem Instrumentenkörper oder dem Griffbrett, Bogenort und - geschwindigkeit, Dauer, Stärke und Rhythmik von Bogenvibrato, Fingeraktio- nen und -druck, natürlich auch Dynamik, Tonhöhe und Tonlängen usw.. Die immense Kompliziertheit betrifft sowohl die Rhythmik als auch die techni- schen Anforderungen. Zugleich entsteht durch die Notation eine Art „Augenmusik”, die eine visuelle Vorstellung vom klanglichen Ergebnis ermöglicht.” Beide Herangehensweisen (Musik und Bildende Kunst) haben eine große Gemeinsamkeit - sie gehen von Formen universeller Verflechtung aus. Zeitliche und räumliche Vorgänge treffen aufeinander, verschmelzen und las- sen schließlich neue Formen entstehen. Es geschieht per zufälligem Aufein- andertreffen oder auch planvoll konstruiert. Die Formenvielfalt des Kom- plexismus in der Bildenden Kunst ist jedoch noch größer als in der Musik, da neben der visuellen Wahrnehmung weitere Sinne angesprochen werden kön- nen. Möglich ist dies in direkter oder indirekter Weise. Indem man komplexe Gedankengänge in einer Arbeit vereint, entstehen Werke des direkten Kom- plexismus. Werden einzelne Arbeiten mit anderen Arbeiten derart in Bezieh- ung gebracht, dass sie als Gesamtwerk anzusehen sind, entsteht indirekte komplexistische Kunst. All das allein reicht aber nicht aus, um wirklich komplexistisch zu sein. Kaum eine Wahrheit ist derart absolut, dass sie sich nicht irgendwann ins Gegenteil verkehrt. Der Faktor Zeit spielt deshalb eine heraus-ragende Rolle. Erst wenn es gelingt, substanzielle Bestandteile und zeitliche Prozesse als Einheit darzu- stellen, entsteht KOMPLEXISMUS. Andreas Zimmermann, Frankfurt (Oder), 19. Oktober 2005
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